Darf ich in der Partnerschaft Bedingungen stellen?

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Bedingungen in der Partnerschaft

In unseren Paarcoachings sind immer wieder Bedingungen ein Thema. Oder sagen wir besser: kein Thema. Sie sind sogar eher tabu. Denn Bedingungen sind unromantisch. Liebe muss bedingungslos sein, nur dann ist es die „wahre Liebe“, denken viele. Wir sehen das anders.

Es gibt keine bedingungslose Liebe

Genau betrachtet, ist nicht einmal die Liebe von Eltern zu ihren Kindern bedingungslos. Denn die Bedingung ist, dass die Eltern das Kind annehmen – ob es leiblich oder adoptiert ist, spielt dabei keine Rolle.

Wir stehen daher auf dem Standpunkt, dass es auch in Paarbeziehungen keine bedingungslose Liebe gibt. Um genau zu sein: Sie hatten bereits Bedingungen an Ihre Partnerschaft, bevor Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin kennengelernt haben. Viele davon waren Ihnen gar nicht bewusst. Aber sie haben Ihre Partnerwahl bereits beeinflusst. Wir meinen damit Bedingungen wie Wunschvorstellungen oder auch Werte, beispielsweise Humor, Intelligenz, Ehrlichkeit, ein bestimmtes Aussehen, Interessen. Sind diese Grundvoraussetzungen sowohl bei Ihnen als auch beim anderen (!) erfüllt, hat Ihre Liebesbeziehung eine Basis.

Zeit, über Bedingungen zu reden

Für gewöhnlich läuft in der ersten Verliebtheitsphase dann alles wunderbar. Viele Paare, die gut aufeinander abgestimmt sind und vieles gemeinsam haben, kommen auch jahrelang miteinander klar, ohne groß über Bedingungen sprechen zu müssen. Doch irgendwann kommen die meisten an den Punkt, an dem sie merken, dass der Partner in bestimmten Bereichen komplett unterschiedliche Ansichten oder Bedürfnisse hat. Oder völlig anders reagiert. Diese Andersartigkeit kann schon lange vorhanden sein und sich jetzt erst zeigen. Oder sie hat sich mit der Zeit entwickelt. Meist bringen konkretere Veränderungen im Beziehungssystem solche unterschiedlichen Standpunkte ans Licht. Beispielsweise, wenn es ums Zusammenziehen oder Heiraten geht. Wenn das erste Kind auf die Welt kommt – oder sogar erst, wenn es das Haus verlässt. Die Folge einer solchen „Entfremdung“ sind Unverständnis, bzw. der Eindruck, nicht (mehr) verstanden zu werden und natürlich Streit. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um Bedingungen zu besprechen. Doch das machen die wenigsten.

Welche Bedingungen am besten funktionieren

Ganz klar: Das müssen Sie für Ihre Partnerschaft selbst herausfinden. Am besten geht das, wenn Sie wachsam darüber sind, welche Verhaltensweisen Ihres Partners für Sie wirklich überhaupt nicht funktionieren. Oder welche Ihrer dringlichsten Wünsche nicht oder zu wenig erfüllt werden. Dazu zwei einfache Beispiele.

Beispiel "Misstrauen vs. Sicherheitsbedürfnis"

Charlotte möchte gerne wissen, wo Martin ist, wenn sie nicht zusammen sind. Sie macht sich sonst Sorgen. Sie möchte aber nicht als eifersüchtig oder gar als Kontrollfreak dastehen. Deshalb spricht sie das Thema lieber gar nicht erst an. Insgeheim wirft sie Martin jedoch vor, unsensibel zu sein, weil er sie nicht informiert. Wenn sie dann mal nachfragt, kommt das bei Martin als Misstrauen an und sie streiten immer häufiger.

Eine Lösung könnte nun sein, dass Charlotte mit Martin eine Vereinbarung trifft, dass er sie vorher immer darüber informiert, wohin er geht und dass er ihr bei längerem Wegbleiben eine Nachricht schickt, damit sie sich keine Sorgen machen muss. Damit wäre eine wichtige Bedingung von Charlotte erfüllt, nämlich die Sicherheit, dass sie immer weiß, wo ihr Partner gerade ist.

Beispiel "Scheinbare Harmonie vs. Quality Time"

Eva hätte am Wochenende gerne mehr Zeit für sich, ihre Freundinnen und ihr Pferd, während Peter am liebsten das ganze Wochenende mit ihr verbringt. Eva traut sich nicht, Peter zu sagen, dass sie gerne auch mal Zeit mit anderen verbringt, weil sie befürchtet, damit für schlechte Stimmung zu sorgen. So hat Eva immer weniger Spaß an den gemeinsamen Wochenendunternehmungen, weil sie immer den Eindruck hat, mit ihren Wünschen zu kurz zu kommen. Das merkt Peter natürlich auch und er denkt, Eva würde nicht mehr gerne Zeit mit ihm verbringen. So haben beide am Wochenende keine wirklich gute Zeit mehr.

Eine Lösung könnte nun sein, dass Eva an Peter die Bedingung stellt, einen Tag des Wochenendes für ihre eigenen Hobbys und Interessen zur Verfügung zu haben. So bekommen beide, was sie wollen: Eva mehr Zeit für sich und Peter mehr „Quality Time“ mit Eva.

Wie man Bedingungen verhandelt

Wichtig bei den Bedingungen in Partnerschaft, wie wir sie propagieren, ist, dass diese nicht nur einfach gestellt, sondern gemeinsam verhandelt und vereinbart werden. Denn Bedingungen sind keine Befehle. Es sind dringende Wünsche. Hier eine kleine Anleitung für Ihre Verhandlungsgespräche:

  1. Werden Sie sich klar darüber, was Ihre Wünsche und Bedingungen in der Beziehung sind. Was möchen Sie gerne und dies trägt zu Ihrem Wohlbefinden bei? Was brauchen Sie zur Erfüllung Ihrer wichtigsten Werte? Was ermöglicht Ihnen, Ihr Vertrauen zu schenken und im nächsten Schritt auch die Wünsche des anderen gerne zu erfüllen?
  2. Nennen Sie Ihrem Partner/Ihrer Partnerin Ihre Wünsche und Bedingungen. Z. B. „Ich wünsche mir X. Erfüllst Du mir das? Unter welcher Bedingung?“ oder „Folgendes muss für mich gegeben sein in unserer Partnerschaft. Bist Du damit einverstanden? Unter welcher Bedingung?“
  3. Sind die Bedingungen des anderen für Sie in Ordnung? Welcher Bedingung stimmen Sie zu, welcher nicht? Machen Sie dem anderen ein Angebot, nennen Sie Alternativen. So sind Sie im Verhandeln.
  4. Das Einhalten sowie auch das Nicht-Einhalten von Bedingungen hat Konsequenzen. Auch diese Konsequenzen werden verhandelt. Konsequenzen sind wohlgemerkt keine Strafe und sollen keinesfalls dazu dienen, den anderen zum Einhalten der Bedingungen zu manipulieren, indem eine möglichst „negative Konsequenz“ in Aussicht gestellt wird. Konsequenzen sollen einen Ausgleich schaffen: Beim Nicht-Einhalten einer Bedingung ist dies z. B. ein alternatives Verhaltensmuster, das ebenfalls zum gewünschten Ergebnis führt. So hat jeder die freie Wahl, die Bedingung zu erfüllen oder nicht.

Und was machen Charlotte und Martin?

Charlotte ist Sicherheit in der Beziehung sehr wichtig. Deshalb möchte Charlotte gerne wissen, wo Martin ist. Sie hätte am liebsten, dass er ihr vor jedem seiner Termine Bescheid gibt, wohin er geht und wie lange er weg ist.

Martin möchte das nicht, ist aber bereit, einen gemeinsamen Kalender zu führen, in den er alle seine Termine ohne Charlotte einträgt.

Charlotte reicht diese Information. Und sollte Martin mal weg sein, ohne dass ein Termin eingetragen ist, darf Charlotte gerne per SMS nachfragen, ohne dass Martin sich kontrolliert fühlt. Denn er weiß, dass Charlotte aus ihrem Sicherheitsbedürfnis heraus handelt.

Bedingungen in der Partnerschaft

Für den einen oder anderen mag das recht theoretisch klingen. Oder eben unromantisch. Wir sagen auch nicht, dass jeder in seiner Partnerschaft Bedingungen stellen muss. Wer jedoch öfter mal an Grenzen kommt und häufig mit dem Partner über scheinbare Belanglosigkeiten streitet, sollte es einfach ausprobieren. Bedingungen in Partnerschaft sind auf jeden Fall ein hervorragendes Feld zum gemeinsamen Experimentieren und Üben.

Gerne unterstützen wir Sie dabei – mit einem Paarcoaching bei uns in Stuttgart.

Bildquellen: istock.com